Texte zur Raumgeometrie

Das Darstellungsproblem und die Suche nach Lösungen

Das zentrale Thema in den Arbeiten von Max Stiller ist die Verknüpfung von Räumen unter Anwendung geometrischer Bildsprachen. Es wird unter Zuhilfenahme eines sehr strengen Vokabulars ein eigener Bildsprachendialekt entwickelt. Er nennt ihn, ausgehend von der Systematik der Bild- und Raumzerlegung, Trigonometrischer Kubismus.

Mit dem Dreieck, dem Tricubus, als zentralem Element zielt das Sujet des raumgeometrischen Werkes in erster Linie auf die Art der Darstellung, auf die Zerlegung und Verknüpfung von Räumen. Es ist unabhängig sowohl vom Motiv als auch von der Farbe; dennoch sind eindeutige Schwerpunkte vorhanden. Der konzeptionelle Grundgedanke ist ungegenständlicher Art, doch gibt es auch Exkursionen in die Gegenständlichkeit.

Wie im Kubismus der Klassischen Moderne geht es um die Darstellung und Zerlegung der Körper (Objekte) in bzw. ihre Reduzierung auf geometrische Formen. Darüber hinaus, und das primär, umfaßt seine Arbeit die Erforschung neuer räumlicher Darstellungsmöglichkeiten. Die kubistische Bildsprache sowie unverzichtbare Elemente von Futurismus, Konstruktivismus und Konkreter Kunst dienen als Werkzeuge. Der Hauptsatz seiner Arbeit erhebt die Forderung, das Objekt und den es umgebenden Raum miteinander zu verbinden. Im Überraum, der in erster Linie eine virtuelle Vorstellung ist, entstehen imaginäre Körper, die das Objekt durchdringen und zerlegen und es unterschiedlichen Räumen zuordnen. Der imaginäre Raum selbst wird zum zerlegenden Instrument. Er setzt idealerweise immer an bestimmten neuralgischen Punkten des realen Raumes an (Schnittpunkte). Dieser induktive Prozeß gilt für alle Formen des realen Raumes.

Das Konzept zur Raumgestaltung stützt sich im Wesentlichen auf drei Säulen:

– die Erschaffung des imaginären Raumes
– die Raumverschiebung
– die Auflösung des realen Raumes

In allen drei Fällen wird festgelegt, daß der reale Raum per definitionem als Voraussetzung existiert. Der Bildaufbau unterliegt dem Aspekt nonkommutativer Geometrie. Der wichtige konstruktivistisch-konkrete Teil der Arbeiten manifestiert sich zum Einen in der Festlegung von Raum und Fläche und in der geometrischen Ausarbeitung der räumlichen Verbindungen. Konstruktivismus und Konkrete Kunst werden erweitert durch den Begriff des imaginären Raumes.

Die Motivsuche ist ein schöpferischer Akt, der in der gegenständlichen Realität und der ungegenständlichen Imagination stattfindet. Realer und imaginärer Raum können in einem unterschiedlichen zeitlichen Kontext zueinander stehen.

Das Abbild dessen, was wir als gegenständlich wahrnehmen, ist in Wirklichkeit eine Zusammenfügung von ungegenständlichen Formen konkreter Art, die erst in ihrer Summe in unserer Assoziation eine Vorstellung visueller Wirklichkeit ergeben.